Samstag, 14. Dezember 2013

Taiwan vor 10 Jahren

Dritte Reise auf die „Ilha Formosa“

Die ersten Digitalbilder von Taiwan entstanden für mich mit der Kamera, einer Fuji, die meine damalige Freundin und heutige Frau auf einer Tombola gewonnen hatte. Auch durch andere gesellschaftliche Ereignisse entstand bei mir der Eindruck, dass bei Verlosungen mit Taiwanern immer äußerst üppige Gewinne winken.

Bei meiner dritten Reise nach Taiwan erreichte ich im Dezember 2003 Taipei. Damals stand noch ein gigantischer Bauaufzug neben dem „Taipei 101“, aber das Einkaufszentrum in dem Hochhaus war bereits eröffnet.

Noch keine Chance zum Wolkenstürmen und auch kein Neujahrsfeuerwerk zum Jahrswechsel 2003 / 2004 – das damals höchste Gebäuder der Welt, das „Taipei 101“, in der Bauphase.

Winterwetter in Taiwans Nordosten – Ein Ausflug führte mich in die Gegend von Ruifang (瑞芳) und der Goldgräberstadt Juifen (九份) .

Eigentliches Ziel war das aufgelassene Kohlenbergbaugebiet um Pingshi (平溪‎). Beim Anblick all dieser Relikte geht dem Kind des Ruhrgebietes gleich das Herz auf.

Klar, für den Eisenbahn-Aficionado stand natürlich die Bahnlinie von Rueifang nach Chingtung oder Jingtong (菁桐) im Mittelpunkt der Betrachtung.

Das historische Bahngebäude von Jingtong (菁桐) ist sehr schön hergerichtet und beinhaltete damals eine Ausstellung. Mit den zugänglichen Relikten des Bergbaus, seinen landschaftlichen Reizen und der Nähe zum Verdichtungsraum von Taipei wird die Gegend zu einem wichtigen und viel besuchten Ausflugsort.

Eine Besonderheit ist in der Mitte der Strecke die Ortsdurchfahrt des Zuges von Shífēn (十分), wo trotz moderner Triebwagen die Eisenromantik früher Jahre aufkommt. . Vergleichbar interessante Situationen finden sich in Taiwan meiner Kenntnis nach sonst nur an der Waldeisenbahn von Alishan, etwa in Shuisheliao (水社寮).

Nach den Aufenthalten in Taipei und Pingshi ging es mit der Hauptbahn durch den Westen Taiwans. Kaohsiung war das nächste Ziel. Als herausragender Besichtigungspunkt ist hier die Zuckerfabrik von Ciatou (橋頭) zu nennen. Weiter ging es danach für mich zum Sonnen-Mond-See. Die Rückweg nach Kaohsiung führte über Jiji (集集), Taichung (台中), Sanyi (三義) und Lukang (鹿港). Von Kaohsiung ging es dann wieder nach Deutschland.

Sehr authentisch wirkte die stillgelegte und gerade der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Zuckerfabrik in Ciatou (橋頭), was damals noch zum Landkreis Kaohsiung zählte. Der Landkreis ging 2010 in der Großstadt Kaohsiung auf. Hallen, Gebäude, Maschinen und die Eisenbahnfahrzeug der Zuckerfabrik waren im Dornröschenschlaf und Originalzustand. Leider ist mittlerweile die Umgebung nach dem Bau der Metro ziemlich verhunzt. Teile des Geländes wurden in Mitleidenschaft gezogen. Zudem wird versucht mit billigen Freizeitangeboten etwas Profit aus dem Gelände zu ziehen. Auch die Gestaltung zum Zuckermuseum ist dem Gesamteindruck eher abträglich. Bunte Blümchen und Kunstobjekte auf der Gleisharfe kommen einfach nicht gut. Der ins Fabrikgebäude gerammte Besuchersteg macht mehr kaputt und verfälscht den Charakter des Industriedenkmals zu erhalten. Die Loks sind draußen abgestellt, verrosten und taugen bald nur noch für „China Steel“ im Hochofen von Kaohsiung. Sehr traurig! Damals machte es jedenfalls noch Spaß, auf Entdeckungstour zu gehen und Lokführer zu spielen.

Unvermeidlicher Klassiker in vielen Touristenprogrammen ist Taiwans Sonnen-Mond-See. Glücklich sind diejenigen, die ihn mit dem richtigen Licht, Wetter und bei hohem Wasserstand erleben. Dann wirkt der See am Besten.

Zum Sonnen-Mond-See zählt natürlich auch das schönste Klohäuschen Taiwans. 2003 war es gerade frisch renoviert. Ein paar Jahre später hatte das harte subtropische Klima leider schon den weißen Anstrich gelöst.

Jiji (集集) war auch 2003 schon mehr Kirmes und Nachtmarkt als Bahnstation. Heute gibt es noch einen Ticken weniger Eisenbahnbetrieb und andererseits vielmehr Halli-Galli durch den anhaltenden Zustrom von Ausflugsbussen.

Es gibt auch schöne und interessante Orte in Taiwan ohne Touristen, so die Tunghai Universität in Taichung (台中). Neben der Kapelle, die der Architekt Ieoh Ming Pei entworfen hat, ist das städtebauliche Gesamtkonzept der Universität mit der schönen Allee äußerst sehenswert.

Mehr Eisenbahnarchälogie, mehr auf eine durch die Medien hochgepuschte Attraktion fokussierten taiwanischen Touristenmassen mit ungefähr viermal so viel oder mehr drumherum an Imbiß- und Verkaufsständen fand sich in Sanyi (三義). Neben einem stillgelegten Streckenabschnitt mit begehbaren Tunnel der Hauptbahn bestehen hier einige pittoreske Reste der Longteng-Eisenbahnbrücke, die 1935 bei einem Erdbeben zusammenkrachte.

Lukang (鹿港) lohnt den Besuch wegen seiner alten Tempel und der historischen Bausubstanz. Verkehrlich ins Abseits geraten, konnte in dieser einstmals wichtigen Hafenstadt vieles aus der - wenn auch kurzen - Historie Taiwans bewahrt werden.

Sonntag, 8. Dezember 2013

Gibt es Seniorenteller in Taiwan?

Pläne und Gedanken zum Jahreswechsel 2013 / 2014

Seit auswärtige Touristen Taiwan fluten, wird das Reisen auf der „Ilha Formosa“ zunehmend schwieriger und teurer. Diese Erkenntnis lieferte die aktuelle Reiseplanung. Zudem werden auch Weihnachten und das westliche Neujahr als besondere Ereignisse und Erlebnistage so stark angenommen, dass die Hotelpreise an den Wochenenden und Feiertagen ins Unanständige steigen.

Scheinbar spielt auch das „1314“ (一三一四 / Yī Sān Yī Sì), für junge Paare eine Rolle bei der Bedeutungssteigerung des westlichen Neujahrstages, also der Wechsel vom Jahr 2013 zum Jahr 2014. 1314 klingt so ähnlich wie Yīshēng yīshì (一生一世) und das bedeutet so viel wie „Für das ganze Leben“. Diese glücksverheißende Zahlenkombination ist auch Teil unseres aktuellen Autokennzeichens. „Aber es sind 2013 und 2014, nicht 13 und 14“, wendet Luo You ein. „Man kann sich alles herbeidichten“, erwidert die beste Ehefrau von allen.

Es hilft, sich mit Freude an die guten und günstigen frühen Jahre zu erinnern, wo noch wenige Menschen um die schönsten Unterkünfte in Taiwan konkurrierten.

Die erste Unterkunft für die Reise in der zweiten Dezemberhälfte wird am Lotus See in Kaohsiung liegen. Vom dortigen Stadtbezirk Zuoying kann bequem die Familie besucht werden. Der See selber und der benachbarte botanische Garten erlauben Spaziergänge im Grünen oder zu Tempeln und Pagoden. Eine gute Taxidichte, Bahnhöfe und Metro in der Nähe ermöglichen es das Stadtzentrum und andere interessante Ziele, wie Fo Guan Shan schnell zu erreichen.

Diesmal werden wir seniorengerecht reisen. Geht das in Taiwan, dem Land, in dem Bürgersteige eine sensationelle Innovation darstellen? Ich denke ja, es wird gehen.

Ausgebucht! Heiligabend in den Bergen von Alishan ließ sich leider nicht mehr einrichten, so beliebt ist das kleine Gästehaus der fürsorglichen Familie Qiū und Zhōng. Es wird Luo Yous dritter Ferienaufenthalt dort sein. Die Kommentare bei Tripadvisor machen auf den fehlenden Lift im Haus aufmerksam und Schwierigkeit die steile Treppe im Lebensalter über 70 zu nehmen. Wir werden uns ausreichend Zeit nehmen und mit der gebotenen Vorsicht an die Sache herangegehen. Treppen in den deutschen Familienheimen der 1950er Jahre sind auch nicht anders.

Am 24. Dezember folgt den Bergen der Strand in der Nähe des Fullon Hotel in Kenting. Ziemlich blöd und kulturell immer noch gewöhnungsbedürftig ist in Taiwan, dass ein Großteil des Zimmerangebots in den Hotels aus riesigen Räumen für Familien mit zwei Kindern oder für 4 junge Menschen, die sich zwei Doppelbetten teilen wollen, besteht. Einzelzimmer sind vor allem in den Urlaubsgebieten eigentlich nicht zu bekommen. Selbst bei den (ebenfalls seltenen) Suiten fehlt in der Regel eine vernünftige Teilung in zwei separate Schlafzimmer. Dies gilt zumindest auf dem Niveau unseres verfügbaren Budgets.

Mit Wohlgefallen hat übrigens der Schreiber dieser Zeilen zur Kenntnis genommen, dass die Werbevideos für Gästehäuser in Taiwan, so etwa der Clip des Lánhǎi qíngtiān (藍海晴天) nicht nur immer professioneller sondern auch reizvoller werden. Dabei fokussiert sich der Blick mehr auf Po und Busen als auf die Pension. Einzig die Frage stellt sich, ob es sich bei den Darstellerinnen um die Töchter des Hauses, Dorfschönheiten aus Houwan oder bezahlte Models aus Hengchun handelt.

Leider werden angesichts in der Wintersaison und der taiwanischen Strandkultur wohl kaum „Nei Nei“ (内内 – hier mal anders) zu sehen sein.

Kaohsiung ist zu Neujahr voll. Also bleiben wir bis dahin in Kenting. Erst danach wird es wieder Platz in Sizihwan oder Xī Zǐ Wān (西子灣) am Stadtstrand geben.

Freitag, 6. Dezember 2013

U2

Das Mondkaninchen

Wenn das kommunistische China seinen „Jiao Didi” (小弟弟) zeigt, eine lange Phallusrakete mit orgasmischen Schreien zum Mond schickt und dabei die Tagesschausprecherin zu der Nachricht, wie anfangs dieser Woche geschehen, von der „Ju Tu“ genannten Raumsonde spricht, kommen bei Luo You Erinnerungen an seine guten Jahre in den Diskotheken der 1980er auf.

Aber kann „the only band that matters“, wie zu der Zeit gesagt wurde, mit so unvergeßlichen Songs wie “In The Name Of Love“ wirklich Namensgeber in der sino-kommunistischen Raumfahrt sein? Eine Musikgruppe, die sich für soziale Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit und politische Projekte einsetzt?

Vereint schmücken die Flaggen Japans, der Volksrepublik China, der Republik China, also Taiwans, und der USA eine Orchideenausstellung im März 2013. Locker gehen die zeitgenössischen Taiwaner mit dem Fahnenschmuck um, dessen Kombination in anderen Ländern, so in der Volksrepublik, große politische und strafrechtliche Probleme aufwerfen kann. Dabei ist es bestimmt nicht nur schöner, sondern auch wesentlich vernünftiger sich gegenseitig Orchideen zu zeigen als geladene Kanonenrohre und Raketen, wie gegenwärtig um die Senkaku-Inseln.

Es ist also kaum vorstellbar, dass die „Máo Fěi“ (毛匪) derart internationalisiert sind, um der Musikgruppe U2 eine für ihre Regierung so bedeutende Errungenschaft zu widmen oder allein schon darauf Anspielungen machen.

Letztendlich führte die unsaubere Aussprache des von der Tagessprecherin stark simplifizierten Chinesischen zu „U2“. Nach einigen Rätseln vor dem Fernseher kam die beste Ehefrau von allen darauf, dass es sich um „Yuè Tù“ (月兔), das Mondkaninchen, handeln muss.

Dies ist zwar nicht „Yuè Tù“ (月兔), ist aber trotzdem süß. Der Hoppel in der Nähe des Imbißzone bei der Orchideenausstellung dient auf keinen Fall dazu, den Appetit anregen. Er soll sicher zusammen mit seinen Freunden in einem Streichelzoo nach den vielen statischen Pflanzen der Schau Kinder und Erwachsene erfreuen. Bei mir hat es funktioniert.

In der chinesischen Mythologie stampft das Kaninchen, was auf dem Mond lebt, dauernd die Kräuter für das Lebenselexier der Unsterblichen und steht in enger Beziehung zur Mondgöttin, dem „Bunny Girl“ nach Buzz Aldrin.

Selbst wenn der Name „Yuè Tù“ (月兔) mittels eine Online-Abstimmung - bestimmt ganz demokratisch - ausgewählt sein sollte, kann er aus meiner zugegeben beschränkten Sicht als Metapher gelten. Letztendlich überleben auch die Funktionäre im System der Volksrepublik vor allem durch die Erfolge ihrer unermüdlichen Kaninchen, ihrer Wissenschaftler und Experten, Arbeiter und Beamten. Und für herausragende Erfolge braucht es Mondflüge. So einfach ist das mit der Raumfahrt. Dann wird auch das friedliche Zusammenleben mit den Nachbarn weniger wichtig.