Freitag, 31. Mai 2013

Trauer in Taiwan

Der Begründer einer großen Familie hat uns verlassen. Hätte dies jemand vor einem Jahr prophezeit, niemand von uns hätte ihm Glauben geschenkt. Der Mensch, der von uns gegangen ist, lebte äußerst gesund, war stets fit und richtig durchtrainiert. Einem Uhrwerk gleich folgte er seinem täglichen Rhythmus. Seit den jungen Jahren erfüllte er seine Verpflichtung und den Auftrag, den er nach seiner festen Auffassung erhalten hatte.

Niemals zuvor habe ich einen Menschen kennengelernt, der sein Konzept und seinen Lebensentwurf so konsequent und klar bis zum Ende seines irdischen Daseins umsetzte. Er gönnte sich nichts und doch, wenn er die Wahl hätte, würde er genauso wieder entscheiden. Geprägt war er durch die Strenge der japanischen Kolonialherrschaft. Er hatte die Chance bekommen und mit fast übermenschlichen Fleiß und Engagement genutzt. Mit dem, was ihm die Republik China durch ihre Experten und Reformen - vor allem die Landreform und die Agrarförderung in den Nachkriegsjahren - bot, erreichte er wirtschaftlich das Beste für seine Familie und Nachkommen. Urlaub und Ruhestand, Genuß und Freizeit waren unbekannte Begriffe für ihn.

Wie um einen Pol, manchmal unnahbar, aber unverzichtbar und stets Respekt gebietend, drehte sich alles um ihn als Familienoberhaupt. Ich vermisse ihn sehr, der mir die beste Ehefrau gegeben hat, so viel Toleranz zeigte und mir den Einblick in eine großartige fremde Kultur eröffnete. Traditionell nach dem konfuzianischen Muster, in seinem, ihm wirklich gehörigen und zugeordneten, Umfeld zu leben und doch weltoffen zu sein, war kein Widerspruch.

So innerlich gefestigt, hätte sein Lebenskonzept noch viele, viele Jahre auch in einem demokratisierten und auf Konsum ausgerichteten modernen Taiwan bestehen können. Jedoch hat ihm eine plötzliche und tückische Krankheit innerhalb weniger Monate die Kraft genommen und aus dieser Welt entschlafen lassen.

Wieviele Menschen hat der verwitterten Giebel in dem taiwanischen Dorf schon in ihrem Leben begleitet? Auch wenn der Körper vergänglich ist, der Geist und die Erinnerung bleiben unter uns.

Viel früher als geplant, kam ich zurück nach Taiwan, um ihm zu danken, ihn auf seinen letzten Wegen zu begleiten und Abschied zu nehmen.

Du wirst einen Kulturschock erleben. Aber es ist gut, dass du da bist, sagt mir meine Frau bei der Ankunft.

Mittwoch, 1. Mai 2013

Streifzüge durch Taiwans Südwesten

Oder der ewige Taiwantourist

Folgt der Leser diesem Link und Kommentar, so hat der gewöhnliche Tourist Taiwan in fünf Tagen zu erledigen. Weil das den Flug aus Europa nicht lohnt, muss Taiwan mit anderen Zielen in Asien kombiniert werden. Und überhaupt ist die Insel für den Fremdenverkehr unterentwickelt. Es ist fast unmöglich mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sich bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen, stellt ein Problem dar. Die Menschen sind freundlich, das Land ist interessant. Aber das Tourismusbüro, sprich der Staat, tut zu wenig.

17 Tage im März 2013 auf Taiwan und kein Verlangen noch nach Japan, Korea, Hongkong, auf die Philippinen oder nach Bali weiterzufliegen. Streifzüge nach Houbi (後壁), Kending (墾丁) und Manzhou (滿州), Meinong (美濃), Shangan (上安) und Siding (隙頂) sowie durch weitere Teile der Stadt einschließlich des früheren Landkreises Kaohsiung (高雄) waren mehr als genug, um die Zeit zu füllen.

Aus europäischer Sicht bleibt sicherlich Taiwan ein touristischer Nebenschauplatz, sofern keine familiären, geschäftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen dorthin bestehen. Dabei läuft Taiwans Tourismussektor nach meinem Eindruck zur Zeit richtig heiß und die freien Kapazitäten schmelzen zusammen. War es vor einigen Jahren kein Problem ein freies komfortables Zimmer zu einem vernünftigen Preis für einige Tage am Sonnen-Mond-See, in Alishan, im Stadtzentrum von Kaohsiung oder in Kending zu bekommen, müssen die Reisenden auf eigenen Pfaden heute deutlich flexibler sein. Besucher aus Singapur, Hongkong und Festlandschina überfluten geradezu die Insel.

Rückfahrt von Alishan in der Buskarawane. Wer bringt die Fuhre Turis schneller zum nächsten Stop? „888-QQ“ ist der Wunschbusfahrer jedes Touristen. Er fährt vorsichtig und mit Bedacht. Das muss ein Anfänger sein. „Color Full Tour“ vertraut in den Gott des Glücks, schaukelt seine Ladung durch und überholt für einen früheren Feierabend blind in der Kurve.

Im Gespräch mit einem zukunftsorientierten Gastgeber, moderiert durch die beste Ehefrau von allen, obwohl er gut Englisch konnte, kam auch die Frage nach mehr Werbung für den lokalen Tourismus in Europa auf. Aus allgemeiner westlicher Perspektive dürften gegenüber Taiwan sicher andere Ziele in Asien zunächst Vorrang haben und mehr bieten, wie die Volksrepublik China, Thailand oder Bali. Auch Fotos und Berichte aus Vietnam oder Malaysia zeigen, dass diese Länder ebenfalls große Anstrengungen machen, Geld aus dem Tourismusgeschäft für ihre Volkswirtschaften abzuschöpfen. Dabei haben sie in gewisser Hinsicht dem Urlauber aus dem Westen deutlich mehr zu bieten als Taiwan.

Einer der nördlichsten Punkte im letzten Urlaubsprogramm: das in moderner Architektur errichtete neue Besucherzentrum am Sonne-Mond-See. Taiwans Verwaltung macht eine Menge, um den Touristen einen angenehmen und abwechselungsreichen Aufenthalt zu ermöglichen.

Angesichts der Konkurrenzsituation macht es für den individuellen Tourismus sicher Sinn sich als Anbieter auf die Mittelstrecke zu konzentrieren. Neben den vorgenannten China, Singapur und Hongkong kommen Japan, auch Korea, Australien, Neuseeland oder auch die USA und Kanada als etablierte Wohlstandsnationen vor Europa in Betracht, um für sich zu werben.

Für den Monat meines Aufenthaltes zeigen die vom Tourismusbüro veröffentlichten Zahlen, dass von 759.233 Besuchern circa

12 % aus geschäftlichen Gründen (90.603),
71 % zum Vergnügen (537.648) und
5 % für einen Verwandtenbesuch (38.972) nach Taiwan kamen.

Für sonstige Reisezwecke, wozu unter anderem Konferenzteilnahme, Ausstellungsbesuch, medizinische Behandlung oder Studium zählen, bleiben dann 12 %.

Von den mehr als 759.000 Besuchern waren etwa
49 % Bürger von Hongkong, Macao und andere Chinesen (370,545),
20 % Japaner (150.644),
15 % Südostasiaten (111.818),
5 % US-Amerikaner (41.037),
3 % Koreaner (24.637),
wenige Australier und Neuseeländer (10,781), Briten (8.252), Deutsche (6.022), andere Europäer (17.262) und weitere Nationalitäten.

Der durchschnittliche Aufenthalt im März 2013 umfasste 6,55 Übernachtungen.

Trotz dieser verkürzten Zahlen wird meines Erachtens deutlich, wer sich als Urlauber für Taiwan interessiert und kommt. Für den deutschen Urlauber wird Taiwan sicher ein Nischenprodukt bleiben, um besondere Vögel zu beobachten, andere Eisenbahnwelten zu entdecken, eine neue Küche zu schmecken, seinen Tee zu ernten, die traditionelle chinesische Schrift zu erlernen, sich der asiatischen Philosophie, Religion und Leibesübung anzunähern, oder einfach eine in vielem ganz andere Kultur zu erleben und in sie einzutauchen.

Sicher funktioniert dies besser und zielgerichteter, durch den organisierten Reiseablauf in einer Gruppe und mit lokalen Begleitern. Es ist nicht zu bestreiten, dass in Asien für den deutschen Urlauber in der Regel die Hürden in der Kommunikation sowie im Umgang miteinander etwas höher sind, als in europäischen Ländern oder Nordamerika.

Taiwan ist sicher keine Insel für Urlaube an langen Stränden, kletter- und wanderbaren Bergen, zum Spottpreis oder nächtelangen großartigen Abfeiern, zum ausgiebigen Alkoholkonsum oder für besondere Dienstleistungen.

Eine Straße Touriort in Kenting - Für Taiwans junge Leute, auswärtige Englischlehrer und die Adoka, soweit sie noch nach Strandleben suchen, reicht das. Natürlich ist das weit von einem „internationalen Touristikort“ entfernt, wenn es nicht einmal einen sicheren Bürgersteig in ausreichender Breite gibt. Aber Taiwan verändert sich schnell und die Frage ist berechtigt, ob die Taiwaner das überhaupt wollen.

Wird hier der Ausländer verstanden? Seit sich ein Fahrradtourismus im Süden und Osten Taiwans entwickelt, bieten Polizeistationen die „Bike Stage“ an. Bei den Polizisten findet der Radfahrer auf Tour nicht nur guten Rat sondern auch Werkzeug, Druckluft, Wasser und eine einfache medizinische Versorgung. Könnte es nicht auch bald einen deutschen Reiseveranstalter geben, der westliche Fahrradenthusiasten auf die Insel einlädt? Oder gibt es ihn schon?