Donnerstag, 22. März 2012

Massimo Vitali

oder Strandkultur - Beach Culture in Taiwan

Unser noch spartanisch eingerichtetes Haus benötigt im Wohnzimmer ein großformatiges Bild, Gemälde oder Foto, um die Wand hinter dem Sofa dekorativ zu füllen. Auf Dauer macht die Leere bestimmt depressiv.

Außerdem kann sich mit Blick auf das Werk von Andreas Gursky Fotokunst als gute Geldanlage in den schwierigen Zeiten des Euro darstellen.

Bei der Suche, was sich so noch bei moderner Landschaftsfotografie anbietet, stieß ich beim Surfen auf Massimo Vitali, einen italienischen Fotokünstler. Massimos Fotoarbeiten bilden Landschaften und Räume, die von einer menschlichen Ebene überlagert werden, ab. Bevölkerte Strände, Hotelpools, Diskotheken und verschneite Berghänge mit Skipisten zeigen den Mensch als Herdentier, lassen aber auch die Einzelnen erkennen und erzählen ihre Geschichten.

Wie groß wirkt der Kontrast beim Betrachten von Massimos Bildern zwischen den Stränden an der italienischen Adria und denen auf Taiwan.

Gewöhnlich neigt der Mensch in Taiwan nicht dazu den Strand zu mögen. Fantastisches Wetter im Winter mit angenehmen Wasser- und Lufttemperaturen, Sonnenschein, tolles Pools, traumhafte Strände sind alles keine Gründe, die hier zu einem wirklichen Strandleben führen.

Regelmäßig ist an den Stränden die Atoka-Dichte im Vergleich zum Rest auf Taiwan besonders hoch. Offenbar zieht es den westlichen Besucher deutlich stärker zu den Sandstreifen am Meer als die taiwanisch-asiatischen Bevölkerungsteile.

Dabei gibt es alles. An den Stränden sind Schwimmbereiche abmarkiert und überwacht. Von Sonnenschirmen bis zum Jet-Ski-Verleih steht für den angemessenen Aufenthalt und die verschiedensten Arten des Wassersports vieles bereit. Natürlich hat jedes große Hotel tolle Schwimmbecken. Aber trotzdem kommt keine richtige Stimmung auf, wie der Tourist sie aus Mittelmeerländern kennt.

Während des gesamten mehrtägigen Urlaubsaufenthaltes war der Pool im „Howard´s Hotel“ in Kenting leer. Was soll Luo You alleine seine Runden in den vereinsamten Becken drehen, wenn ihm selbst die treue Ehefrau die Gefolgschaft verweigert?

Das quirlige Leben an so vielen Orten Taiwans, die Lust am guten Essen, die Begeisterung durch die Medien oder Mundpropaganda hochgepuschte Attraktionen in Massen am Wochenende aufzusuchen, übertragen sich einfach nicht auf die Strände.


Im Landschaftsschutzgebiet der Kuanyin Berge (觀音山風景區) bei Dashe (大社) am Wochenende. Ein paar spitze Berge im Naherholungsgebiet verwandeln die Zufahrtsstraße dahin zur Kirmes oder - mehr taiwanisch - zum Nachtmarkt am Tage.


Die Abneigung gegen Strandbesuche hängt mit vielen Bedingungen zusammen. Traditionell ist sonnengebräunte Haut in Taiwan mit schwerer Arbeit außerhalb des Hauses verbunden. Wer möchte nach einem Urlaubsaufenthalt schwer überarbeitet aussehen?

Erstrebenswertes Ziel ist es, bleich zu bleiben. Bleich sein bedeutet, einen guten Bürojob zu haben oder so wohlhabend zu sein, dass man es sich leisten zu kann, nicht übermäßig arbeiten zu müssen. Zudem führt die subtropischen Sonne schnell zu Sonnenbränden und anderen negativen gesundheitlichen Folgen. Das Hautkrebsrisiko steigt.

Von der See gehen in Taiwan Gefahren aus. Die zerstörerischen Taifune, die in der Saison von Frühjahr bis zum Herbst über die Insel hinweg ziehen, kommen vom Meer, vom Pazifik. Starke Strömungen, Felsen und Riffe sind ebenfalls Gründe, die die Zuneigung zum Meer begrenzen. Deshalb sind die Tempel der Fischer zum Meer ausgerichtet, um das Wohlwollen der Götter zu erbitten und die Risiken der Ausfahrt mit den Booten zu senken.

Das soziale Leben und Abhängen am Strand widerspricht auch den Lehren des Konfuzius, der Faulheit und Müßiggang ablehnte und geißelte. In der chinesischen Kultur gilt es in der Regel die Zeit bestmöglich - zumindest nach außen erkennbar - zu nutzen. Auch Meditation ist kein Müßiggang, sondern die Suche nach der eigenen inneren Kraft.

Ein wenig westliche beeinflusste Dekadenz gab es dann doch noch zu sehen. Etwas kalifornische Atmosphäre und ein Hauch von Strandleben tauchte hier in Jialeshuei (佳樂水) auf - und auch ab.

Hier warten die Surfer nicht nur auf gute Wellen. Ab und zu kommt auch eine.

Die dann das Board ein bisschen über das Wasser trägt.

Wobei die Sportlerin oder der Sportler dann nach wenigen Sekunden wieder vom Wellenreiter zum Wellenwarter wird.

Sonntag, 18. März 2012

What Women want

Was Frauen mögen, selbst wenn es diesmal nicht der Ehemann in den Sand geschrieben hatte. - Für eine Liebeserklärung mißbrauchter Sandstrand am Südchinesischen Meer in Kenting, Taiwan, gesehen von Luo You am 17. April 2007

Donnerstag, 8. März 2012

Immer der A-Tok-A (阿啄仔)

oder „Burning Luo You“

Immer soll der Atoka (阿啄仔) auf die Bühne. Sei es bei der Teezeremonie in Japan, beim Karaoke in Yuli, zum Mitsingen beim Prinz von Alishan oder bei den Zauberlehrlingen im Nationalen Zentrum für traditionelle Künste in Wujie, gelegen im Landkreis Ilan auf Taiwan, oder sonstwo.

Zündende Ideen haben die jungen Zauberer. Und Luo You geht dabei in Flammen auf.

Das andersartige Aussehen lässt den westlichen Touristen in der Masse auffallen und macht ihn direkt zum Ziel, wenn Freiwillige aus Publikum für die Bühne benötigt werden. Das ist sicherlich nett gemeint, den fremdem Gast durch besondere Teilnahmemöglichkeiten hervorzuheben, ihn quasi zu ehren, und ihm ein besonderes Erlebnis zu ermöglichen.

Einladung zum Gesang. Bevor der Prinz von Alishan (阿里山王子) den netten Herrn an seiner Seite zum Mikrofon bewegte, war der einzige anwesende Mensch mit hellen Haaren und hoher Nase aufgefordert worden, mit ihm zu singen, was der Atoka aber zurückwies.

Meine fehlende musikalische Erziehung und diesbezügliche Ahnungslosigkeit wollte ich nicht der Ur- und Ur-Urbevölkerung zumuten, wo doch in vielen Häusern Taiwans Pianos - zwar meist verstaubt oder mit Gerümpel zugestellt, ursprünglich für die musische Erziehung der Kinder beschafft - herumstehen und häufig Karaoke aus Wohnungen, Läden, Gaststätten und über Plätze schallt. Darüber hinaus gibts es viele Taiwanesen, die in Deutschland Musik studieren und erfolgreich eine Profession als ernsthafte Musiker anstreben.

Die bewundernswerte Darbietung klassischer Musik eines taiwanischen Studenten gab es im Sommer 2010 in Düsseldorf, die viel Applaus brachte.

Ein hohes musikalisches Verständnis im Publikum ist daher in Taiwan regelmäßig zu erwarten, dem ich mich, von gleicher Muttersprache wie Mozart, Beethoven und Schubert, nur ungern entgegenstellen möchte.

Aber, die Frage sei erlaubt, wird der oft auf die Bühne geholte Atoka nicht auch zum Narren gemacht? Wird seine Unbeholfenheit in der fremden Umgebung, seine gefühlte und bewusst gemachte Fremdartigkeit nicht - wenn auch nur unterbewusst durch den freundlich nach vorne Bittenden - zur Schau gestellt? Obwohl, in Wujie wurden nach mir genauso japanische Touristen (Achtung: Japaner sind keine Atoka!) zum Mitmachen auf die Bühne gebeten.

Wasserbombe im Fischerhafen von Tamshui. Den Spassmacher und Narren gibt ein Mensch mit westlichem Gesicht, der sich mit Taiwans heranwachsenden Kindern beschäftigt, ganz so wie im richtigen Leben die muttersprachlichen Englischlehrer auf der Insel.

Dies führt zu der Frage: Kann der Atoka auf die gleiche Stufe mit erwachsenen Taiwanern gestellt werden? Oder deutet eine fehlende sprachliche und kulturelle Kompetenz nicht auf eine mehr infantile Zugehörigkeit hin? Was dadurch einer Erhöhung der chinesischen Leitkultur dienen würde? Vielleicht denkt der Atoka hier auch nur zuviel und zu atokazentrisch?

Freitag, 2. März 2012

A.I. / Artificial Intelligence / Künstliche Intelligenz / Inteligencia Artificial / 人工智能


Oder eine Baustellenabsicherung in Taiwan / A site equipment in Taiwan / Un dispositivo de una obra en Taiwan / 台湾 的 工地 設施

Steven Spielberg sorgte nicht nur in Luo Yous Vorleben 1988 in Guadix durch eine Statistenrolle als Nazi-Offizier bei Indiana Jones letztem Kreuzzug für bleibende Erinnerungen. Der Kontakt war damals über die Sekretärin meiner Sprachschule, dem „Colegio Nueva Universidad De Granada“, zu Stande gekommen. Die junge Frau studierte Theaterwissenschaften in Granada und kannte den Agenten, der für den Film blonde, blauäugige, junge Männer über 1,80 m für die Rolle der bösen, deutschen Nazi-Soldaten suchte. Meine damalige Erscheinung ließ mir am Drehort die Offiziersuniform zukommen. Die Szene, an der ich mitwirkte, wurde zwar nicht im Film aufgenommen, trotzdem blieb mir die Jagd auf Sean Connery sehr gut im Gedächtnis. Wenigstens gab es für den Tag und das Auftreten vor der Kamera einen feschen Haarschnitt, Bocadillos und Mineralwasser sowie einige Peseten Bares. So wie ich zum Nazi-Offizier wurde, veränderte sich im Film übrigens der Bahnhof von Guadix zur Bahnstation von Iskenderun.

Unvergessen blieb Steven Spielberg dann auch viele Jahre später mit dem Film „A.I. - Künstliche Intelligenz“, dessen traumatische Bilder ich in der Trance des Halbschlafs auf dem Langstreckenflug von Frankfurt nach Taipei sah.

Am 5. Januar 2012 kamen die Bilder der bizarr zusammengeflickten Mechas in Form einer Baustellenabsicherung auf Taiwan in Luye (鹿野) wieder.

Einsam verrichtet auf einer gesperrten Allee der mögliche Vorfahre der eventuellen evolutionären Nachfolger der Menschen seinen Job.


Ist er schon an dem Platz, wo Träume geboren werden? Seine Erschaffer könnten jedenfalls Anhänger der Occupy-Bewegung, Anti-ACTA-Aktivisten oder Sympathisanten von Anonymous sein. Die Gesichtsgestaltung hat sehr große Ähnlichkeit mit einer Guy-Fawkes-Maske.